Die Kinder der Nachkriegszeit hatten zwar die „Gnade der späten Geburt“, aber sie hatten Eltern und eine Umgebung, die vom Aufbruch und Aufbau sowie von der Verarbeitung oder Verdrängung der Kriegszeiten geprägt war.
Emotional fühlte ich mich als Kind oft nicht verstanden. Meine Eltern gaben zwar ihr Bestes – doch sie waren bereits einer emotionalen Betäubung erlegen, die ihre Biographie mit sich gebracht hat. Der Rest war überwiegend kopfgesteuert.
Was macht ein sensitives Kind, um zu überleben? Es muss verdrängen und verleugnen, was es fühlt..
Je älter ich wurde, desto problematischer wurde mein emotionaler Rucksack bis ich mich weitgehend blockiert fühlte. In den normalerweise energiegeladenen, agilen Jahren der Jugend fühlte ich mich immer mehr ausgebremst. Ich schrieb meinen Zustand meinen Unfähigkeiten zu und traute mich daher nicht, mit jemandem darüber zu reden – mit wem auch hätte ich darüber sprechen können? Den meisten Menschen fehlte es schlichtweg an Verstehen und Wissen über emotionale Kompetenzen. Heute bin ich überzeugt, dass ich in eine handfeste Depression geraten war. Wie ich durch glückliche Umstände mich daraus befreien konnte, ist in Teilen des Buches beschrieben.
Aus heutiger Sicht glaube ich, das wäre einfacher für mich gewesen, wenn mein Umfeld und auch die Bildungssysteme sich mehr dem emotionalen Aspekt des menschlichen Daseins gewidmet hätten. Alles hat seine Zeit – zumindest war es ein Ansporn für mich, darüber zu lernen und mehr Bewusstsein mit meiner emotionalen, empfindsamen Seite zu verbinden.
Nachdem ich seit 1995 Seminare über Softskills wie Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation, Konflikt- oder Stressmanagement in Unternehmen durchgeführt habe, wurde mir immer klarer, dass uns grundlegendes Wissen darüber fehlt, wie Emotionen ticken und wie wir sie konstruktiv nutzen können.
Daher beschloss ich, ein Grundlagenbuch über die Psychologie der Emotionen zu schreiben. Im Januar 2011 begann ich damit. Nach 260 geschriebenen Seiten wurde mir klar, dass das Buch zu dick werden würde, wenn ich alle Aspekte einbringen wollte, die mir wichtig waren. Ich sprach mit Verlagen und bemerkte, dass die Zeit dafür nicht reif war.
Dafür wurde das Thema Burnout in der öffentlichen Diskussion hochgekocht. Als ich in einem Management-Buch las, dass Stress hauptsächlich durch Fremdbestimmung entsteht, fand ich diese Erklärung äußerst dürftig. Über 15 Jahre lang hatte ich Stress-Management-Seminare gegeben und bin dabei nach vielen Jahren auf ein tiefes Verständnis von Stress gestoßen, welches mich auf einfache Lösungen brachte. Diese haben es verdient, auf Papier gebracht zu werden, damit sie mehr Menschen zugänglich sind. Stress war ohnehin ein Thema meines Grundlagenwerkes – also beschloss ich 2013, zunächst einmal über diesen Teilaspekt der emotionalen Kompetenzen zu schreiben.
Dass letztlich eine Menge Grundlagen-Wissen über Emotionen in dieses Buch fließen musste, bemerkte ich erst beim Schreiben. Über emotionale Kompetenzen existieren enorme Mythen, wie ich in vielen Gesprächen erfahre. Dabei haben sie eine Mathematik und Logik, die wir kennen sollten, um sie produktiv nutzen zu können. Es wird Zeit, diese Mythen zu beenden, damit wir die Herausforderungen unserer Zeit souverän meistern können. Denn emotional intelligent sind wir schon – zu emotionaler Kompetenz sind wir erst unterwegs.
Im Schreibprozess wurden Panikum und Heurekum geboren. Diese beiden Kunstfiguren, die für Eustress/Flow (Heurekum) und für Disstress (Panikum) stehen, begleiten uns durch das Buch. Das Wort „Stress“ an sich macht schon Stress – mit Panikum und Heurekum wird es charmanter.
In Comics stelle ich die beiden als Figuren in Form von Zellen dar, weil sie Zellzustände symbolisieren.
Gestatten – Heurekum und Panikum!
Zur Arbeit an dem Buch fuhr ich gerne an eine kleine Talsperre, an der nur ein kleines Hotel gab, dessen Innenhof mit Blick auf den See mir die richtige Inspiration zum Schreiben bot. Ich schrieb in Etappen und machte längere Pausen. Doch dann war klar – bevor ich weiterschreibe, brauche ich einen Verlag, um das Buch in die passende Form zu gießen. Wichtig für ein Exposé ist ein guter Titel. Ich bestürmte meinen Kopf in Brainstormings und fand um die hundert Titel, die ich alle verwarf.
Der letzte Arbeitstitel, den ich für das Exposé verwendete, begeisterte keinen Verlag. Aber mit dem Goldegg-Verlag kam die Inspiration und der Titel passte. Es war die richtige Zeit für das Buch.
Dann hieß es schreiben, ergänzen, verwerfen, neu sortieren, kritisch beäugen, überarbeiten. Ich habe unterschätzt, wieviel Zeit das in Anspruch nehmen würde. So arbeitete ich in jeder verfügbaren Zeit an dem Buch – selbst auf Reisen wie hier im Flughafen von Dallas. Ich habe das Gefühl, das Manuskript wie einen Teig nach dem Gären jeweils mehrfach durchgeknetet zu haben bis der Kuchen endlich gebacken werden konnte. Zuletzt war es zu dick geworden und es musste um fast 100 Seiten gekürzt werden – eine echte Herausforderung! Einiges davon blieb als Bonus-Download für die Leser erhalten.
Es war eine intensive und erfahrungsreiche Zeit, die viele, viele Stunden in Anspruch genommen hat. Doch möchte ich diesen Prozess nicht missen. Ich habe Dinge aufgeschrieben, die auch ich immer wieder einmal lesen möchte, um mich zu erinnern und sie zu verinnerlichen.
Es ist ein Sachbuch mit einer gedanklichen und emotionalen Erkenntnisreise geworden. Das Buch vermittelt eine neue und verblüffend einfache Sichtweise über die Entstehung von emotionalem Stress, der es jedem ermöglicht, diesen Stress zu lösen oder zu vermeiden. Dadurch gewinnt er Energie, Kreativität und Freiheit für die erfolgreiche Erfüllung seine Lebensaufgaben.
Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, Leserinnen und Leser mit auf diese Reise zu nehmen, sie zu genießen und im persönlichen wie im beruflichen Alltag davon zu profitieren.
Michaele Kundermann